Stellungnahme zum Handelsstreit zwischen den USA und der EU

Kein Land in Sicht?

Wein- und Spirituosenbranche fordert Deeskalation im transatlantischen Handelsstreit

Im Oktober entschied die Welthandelsorganisation (WTO), dass die Europäische Union auf Produkte aus den Vereinigten Staaten von Amerika Strafzölle in Höhe von knapp vier Milliarden Dollar pro Jahr verhängen darf. In dieser Woche präsentierte nun die EU-Kommission die Liste der Produkte, die von den Zöllen betroffen sein sollen. Dazu gehören allerhand Nahrungsmittel sowie verschiedene alkoholhaltige Getränke. Weine aus den USA sollen hingegen nicht mit höheren Zöllen belegt werden. EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis kündigte darüber hinaus das sofortige Inkrafttreten der EU-Sanktionen an. Vor diesem Hintergrund riefen mehrere Institutionen der europäischen und US-amerikanischen Weinbranche die Behörden beider Parteien erneut zu einer Deeskalation des Handelsstreits auf. Ein Kernpunkt ihrer Forderungen ist, die zusätzlichen Zölle, die die USA seit Oktober 2019 auf Weine aus der EU erheben, unverzüglich auszusetzen.

„Während die EU glücklicherweise beschlossen hat, US-Weine von Strafzöllen zu verschonen, sind EU-Weine seit Monaten von zusätzlichen Zöllen betroffen, die den Weinunternehmen und der gesamten Lieferkette irreparablen Schaden zufügen. Wir fordern die EU- und US-Behörden weiterhin auf, die bilaterale Weinpartnerschaft zu erhalten und zu stärken, indem sie alle Vergeltungszölle auf EU-Weine abschaffen und davon absehen, Wein zum Opfer von Handelsstreitigkeiten zu machen, die mit dem Produkt überhaupt nichts zu tun haben“, sagte Jean-Marie Barillère, Präsident des Comité Européen des Enterprises Vins (CEEV).

Bereits jetzt hat der seit über einem Jahr schwelende Handelsstreit der Branche beidseits des Atlantiks geschadet, Arbeitsplätze gefährdet und Investitionen zunichte gemacht. Die USA und die EU stellen wechselseitig jeweils die größten Exportmärkte des Anderen. Das Handelsvolumen im Jahr 2019 erreichte 5,36 Milliarden US-Dollar. Die US-Importe der von den Zöllen betroffenen Weine aus Deutschland, Frankreich, Spanien und dem Vereinigten Königreich sind zwischen November 2019 und August 2020 um 54 Prozent (528 Millionen US-Dollar) im Vergleich zu November 2018 bis August 2019 (1,2 Milliarden US-Dollar) zurückgegangen.

Auch die amerikanische Weinbranche ist sehr bemüht, die Beziehungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten wieder zu normalisieren. „Seit vielen Jahren fordern wir Regierungen auf, Wein nicht ins Visier von Streitigkeiten zu nehmen, die andere Sektoren betreffen. Wir erkennen den wichtigen Schritt an, der hier auf dem Weg zu diesem Ziel unternommen wurde, und fordern beide Regierungen nachdrücklich auf, die Stärke des transatlantischen Weinhandels zu unterstützen", sagte Bobby Koch, Präsident und Geschäftsführer des amerikanischen Wine Institute.

Neben europäischen Weinen sind seit Oktober 2019 verschiedene Spirituosen aus der EU ebenfalls von US-amerikanischen Strafzöllen betroffen, zum Beispiel schottischer und irischer Whisky sowie Liköre aus Deutschland, Irland, Italien und Spanien. Hochprozentige Getränke gerieten gleichwohl schon im Juni 2018 unverschuldet zwischen die Fronten eines transatlantischen Handelsstreits. Damals führte die EU Strafzölle in Höhe von 25 % auf amerikanische Whiskeys ein. Diese Maßnahme war eine Reaktion auf die amerikanischen Zölle auf Stahl und Aluminium. Die erhöhten Zollsätze auf Whiskey gelten immer noch, die USA haben ihre Zölle sogar im Februar 2020 noch auf Produkte ausgeweitet, die zu zwei Dritteln aus Stahl und Aluminium bestehen. Nun drohen im Zuge des Handelsstreits um die Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing weitere Zölle der EU auf Rum, Branntwein, Wodka und Wermut aus den USA.

Gegen diese zusätzlichen Zölle auf Spirituosen aufgrund eines branchenfremden Konfliktes sprach sich bereits Anfang Oktober eine Koalition aus europäischen und amerikanischen Verbänden und Unternehmen der Getränkebranche aus. Die Auferlegung zusätzlicher Zölle zwinge in Zeiten einer globalen Pandemie immer mehr Unternehmen dazu, ihre Tore zu schließen und Beschäftigte zu entlassen. Die USA und die EU müssten vielmehr unverzüglich an den Verhandlungstisch zurückkehren, die derzeitigen Zölle aussetzen und eine Vereinbarung aushandeln. Das sei genau das Ziel dieser Strafmaßnahmen, hält die EU dagegen. Es gehe nicht darum, den Konflikt zu eskalieren, betonte EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis jüngst im Rahmen der Ankündigung der neuen Sonderabgaben. Die EU nehme lediglich ihre Rechte wahr.

Der Eindruck entsteht, die EU tue dies ungeachtet des Wahlausgangs in den Vereinigten Staaten. Doch hinter der jüngsten Entscheidung der EU stecken nicht nur wirtschaftliche Interessen oder gar Vergeltung. Der ökonomische Sinn und Zweck solcher Sonderzollabgaben ist in der Tat, die durch die Subventionen entstandenen Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Politisch aber sollen die Strafzölle die USA im transatlantischen Streit um Zuschüsse für die Luftfahrtindustrie zurück an den Verhandlungstisch bringen und ein klares Signal an den künftigen US-Präsidenten Joe Biden sein. So unterstrich Kommissionsmitglied Dombrovskis die Bereitschaft der EU, die Gespräche mit den Vereinigten Staaten über neue Handelsbeziehungen wieder aufzunehmen, und forderte die Vereinigten Staaten auf, in gegenseitigem Einvernehmen die bestehenden Sanktionen auf beiden Seiten mit sofortiger Wirkung aufzuheben.

Zwar ist die Wahl von Biden mit großen Hoffnungen für die transatlantischen Beziehungen verbunden, doch er warb im Wahlkampf wie der noch amtierende Präsident Donald Trump für eine Wirtschaftspolitik nach dem Motto „America First“. Doch auch aus den USA kamen bereits Signale, dass man wieder zu Gesprächen bereit ist. Die Handelsvertretung der Vereinigten Staaten verkündete in einem Pressestatement, dass man „in Verhandlungen mit der EU steht, in der Hoffnung, diesen langjährigen Streit über große Zivilflugzeuge zu lösen.“

Die Frage, ob bei dieser transatlantischen Odyssee nun Land in Sicht ist, bleibt gleichwohl unbeantwortet. Aus Sicht der deutschen Wein- und Spirituosenbranche ist ein Handelsstreit, der aufgrund von unrechtmäßigen Subventionen der EU für den Flugzeugbauer Airbus und der USA für den Hersteller Boeing entstanden war, nicht auf dem Rücken der Weinbranche auszutragen. Wir schließen uns deshalb ausdrücklich der Forderung unserer europäischen Partnerverbände und des amerikanischen Weininstituts nach einem baldigen Ende der gegenseitigen Sanktionen an.

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